Dienstag, 28. Mai 2013

Der Ausstieg aus dem Euro liegt näher als wir denken

Die Arbeitslosigkeit in Spanien liegt bei 27 Prozent. Junge Iren und Portugiesen verlassen ihre Heimat, und etwa jeder vierte Grieche sagt, er könne kaum genug Geld für Lebensmittel auftreiben.
Trotz dieser düsteren Aussichten gibt es in Europa keinen Notfallplan, um diesen Menschen wieder eine Arbeit zu verschaffen. Südeuropäische Mitglieder der Währungsunion müssen ihre öffentlichen Ausgaben weiter kürzen, Löhne senken und Preise drücken, bis sie wieder wettbewerbsfähig sind. Laut einer Studie von Goldman Sachs GS +0,83%könnte die Krisenbewältigung auf diesem Wege noch mindestens zehn Jahre dauern.
Bei all diesen Problemen stellt sich die Frage: Kommen die Europäer irgendwann an einen Punkt, an dem sie die Nase voll haben?
Es hat zwar so manchen Protest gegen die Sparpolitik gegeben. Doch bisher hat kein Land die Währungsunion verlassen. Viele sind enttäuscht von dem Projekt Euro, doch auch heute wollen über 60 Prozent der Griechen, Spanier, Italiener und Franzosen die gemeinsame Währung behalten, zeigt eine aktuelle Studie des Pew Research Center.
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Wer damit gerechnet hatte, dass Griechenland vergangenes Jahr die Währungsgemeinschaft verlassen würde, hat die Bereitschaft der Europäer unterschätzt, diese Not über Jahre hinweg zu ertragen. Doch die Geduld hat irgendwann auch ein Ende.
„Die ungeheuren Konsequenzen eines Ausstiegs aus dem Euro haben bisher gegen einen solchen Schritt gesprochen", sagt Simon Tilford, Chefökonom am Center for European Reform, einer Londoner Denkfabrik. Doch sobald die Menschen glaubten, dass es kein Licht am Ende des Tunnels gibt, werde es eine offenere Debatte über die Vor- und Nachteile der Mitgliedschaft in der Währungsunion geben, sagt er. „Und sobald diese Debatte losgeht, kann es ganz schnell gehen."
Es wäre nicht das erste Mal, dass so etwas passiert. So wie auch die Mitglieder der Eurozone hat Argentinien in den Neunzigern die Kontrolle über die eigene Währung aufgegeben und diese eins zu eins an den US-Dollar gebunden. Dadurch war die Hyperinflation gebändigt, jedoch liehen sich die Argentinier auch so viel Geld in Dollar, dass Löhne und Geschäftskosten deutlich stiegen. Das Land war plötzlich nicht mehr wettbewerbsfähig - so wie heute große Teile von Südeuropa - und die Währung konnte nicht fallen, um argentinische Produkte im Ausland wieder attraktiv zu machen.
Die Argentinier fanden sich mit diesem Zustand ab, bis sich die Löhne und Preise mit der Zeit wieder angepasst hatten. Laut der gängigen Meinung waren die Argentinier bereit, die schwache Konjunktur so lange wie nötig zu ertragen, wenn sie dadurch den US-Dollar behalten und damit die zeitweise vierstelligen Inflationsraten hinter sich lassen konnten. „Eine Abwertung ist für Argentinien keine Option", sagte ein Ökonom der Weltbank damals. „Der Preis wäre zu hoch."
Tatsächlich hatte Argentinien noch eine eigene Währung, zu der man hätte zurückkehren können. Doch die Parität aufzugeben erschien als zu schmerzhaft, da die meisten Kredite und Geschäftsverträge mittlerweile in der US-Währung vereinbart waren. Nach drei Jahren der Rezession entschieden sich die Argentinier allerdings, dass auch eine Rückkehr zu einem unabhängigen Peso nicht schlimmer sein könnte als der Preis, den sie für die Dollar-Parität bezahlten.
Im Dezember 2001 ging die Mittelschicht von Buenos Aires auf die Straße. Unruhen im ganzen Land zwangen die Regierung aus dem Amt. Kurz darauf geriet das Land bei seinen Schulden in Verzug und löste den Peso wieder vom Dollar.
Ist die aktuelle Situation in Südeuropa damit vergleichbar? Die Wirtschaft von Argentinien war in den drei Jahren vor den Protesten um acht Prozent geschrumpft. Bis Ende 2013 dürfte die Wirtschaft von Italien und Portugal von ihren jeweiligen Höhepunkten um acht Prozent schrumpfen, die von Spanien um sechs und die von Griechenland um über 23 Prozent, berichtet der Internationale Währungsfonds.
EU-Politiker, die sich allzu sehr auf die Beliebtheit des Euro verlassen, sollten daran denken, dass die Argentinier ebenfalls die Bindung an den Dollar unterstützten – bis zu dem Moment, da die Situation kippte.
In einer Umfrage vom Dezember 2001 - demselben Monat, in dem in Argentinien die Unruhen begannen - sagten nur 14 Prozent der Befragten, dass sich an der Währungspolitik etwas ändern sollte. 62 Prozent sagten, sie wollten bei der Bindung an den Dollar bleiben. Spanier und Griechen sagen heute zu fast gleich großen Teilen, dass sie den Euro behalten wollen.
Argentinien ist kein Modell für Europa, aber doch ein warnendes Beispiel. Ende 2001 sagte der argentinische Wirtschaftsminister noch, dass die Bindung an den Dollar eine „dauerhafte Einrichtung" sei, deren Zusammenbruch „die grundlegenden Institutionen der Wirtschaft und der Gesellschaft" auflösen könnte. Einen Monat später war der Peso wieder unabhängig.
Wer glaubt, dass kein Risiko mehr besteht, dass ein Land die Eurozone verlassen könnte, sollte an andere Fälle denken, da ein Währungsregime als heilig galt – bis zu dem Moment, da es wieder weggefegt wurde.

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