Ein Beitrag von Heiner Flassbeck in der Badischen Zeitung vom 10. Mai 2013 - See more at: http://www.flassbeck-economics.de/soll-europa-weiter-sparen-ein-beitrag-von-heiner-flassbeck-in-der-badischen-zeitung-vom-10-mai-2013/#sthash.2gmqasLT.dpuf
Die Frage, die im Titel gestellt wird, kann man eigentlich nicht beantworten. Sie müsste lauten: Kann Europa weiter sparen? Auch darauf wäre die Antwort eindeutig: Nein. Länder oder Staaten können nämlich nicht einfach so sparen wie die schwäbische Hausfrau. Die kann den Gürtel enger schnallen, also ihre Ausgaben einschränken, wenn sie ein festes Einkommen hat und schon steigt ihre Ersparnis oder sinkt ihre Verschuldung.
Der Staat oder ein Land haben aber kein festes Einkommen, sondern das Einkommen ist selbst abhängig von den Entscheidungen des Staates hinsichtlich seiner Einnahmen und Ausgaben. Es sinkt, wenn die Ausgaben des Staates sinken und auch sonst keiner mehr ausgibt. Wer die schwäbische Hausfrau als Vorbild ausgibt, ist ein Narr oder will bewusst Schaden anrichten. Versuchen in einer Volkswirtschaft bestimmte Sektoren immer zu sparen, also etwa der große Sektor der privaten Haushalte, können nicht alle anderen Sektoren auch zu sparen versuchen, also der Staat oder die Unternehmen, ohne gewaltigen Schaden anzurichten.
Sparende Sektoren erschweren es jeder Volkswirtschaft unmittelbar, ihr Einkommensniveau auch nur konstant zu halten, weil die Unternehmen und der Staat jeweils zu Beginn eines Monats das volle Einkommen der anderen Sektoren in Form von Löhnen und Renten ausbezahlen, wegen der Ersparnis aber über die Ausgaben der privaten Haushalte am Ende des Monats nur etwa neunzig Prozent dieses Einkommens zurückbekommen. Zehn Prozent liegen auf der Bank und wenn sich niemand bei der Bank verschulden will und die zehn Prozent aufnimmt und ausgibt, machen Staat und Unternehmen regelmäßig hohe Verluste und die Unternehmen müssen früher oder später Konkurs anmelden.
Versuchen alle Sektoren (private und öffentliche Haushalte und die Unternehmen) zu sparen, wie es derzeit in Deutschland der Fall ist, kommt logischerweise nur noch das Ausland als Schuldner in Frage. Versucht auch das Ausland zu sparen, weil es zuvor über seine Verhältnisse gelebt hat und von der Troika zum Sparen verdonnert wird, bricht auch die deutsche Wirtschaft zusammen. Niemand kann sparen, wenn es keine Schuldner gibt.
Wer diesen absolut zwingenden logischen Zusammenhang, der auf nichts weiter als makroökonomischer Buchhaltung beruht, ignoriert oder nicht kennt, sollte nicht Verantwortung für Wirtschaftspolitik übernehmen. Die Frage ist immer nur, wer spart und wer sich verschuldet, nicht, ob man sich überhaupt verschuldet, wenn einige Sektoren immer sparen. Würde man die Unternehmen dazu bekommen, sich wie früher zu Zeiten des Wirtschaftswunders zu verschulden und zu investieren, können der Staat und das Ausland weitgehend ohne Schulden auskommen. Den Staaten Sparversuche zu verordnen, wenn alle anderen Sektoren auch zu Sparen versuchen, ist verrückt. Das ist genau das, was man Austerität nennt und was Frau Merkel gemäß ihrer eigenen Aussage beim Sparkassentag nicht begreifen kann.
Das Argument, der Staat müsse durch seine Sparversuche Vertrauen zurückgewinnen, bevor er sich wieder verschulden könne, ist ebenfalls abwegig. Seine Verschuldung ist ja in der Regel — wie in der Finanzkrise 2008 — gestiegen, weil die Privaten Vertrauen verloren haben und versucht haben, zu sparen. Zu sagen, die Privaten schöpften genau dann Vertrauen, wenn ihre Sparversuche misslingen, weil der Staat zur gleichen Zeit das Gleiche tut, ist offenkundig absurd.
So geht kein Weg daran vorbei: Jemand muss sich verschulden, wenn die europäische Wirtschaft den Weg aus der Rezession und der Massenarbeitslosigkeit finden soll. Kann der Staat oder können die Staaten die Unternehmen dazu bewegen, das zu tun, schön und gut. Aber die Unternehmen sind dazu nur bereit, wenn die Nachfrage und die Auslastung ihrer Kapazitäten steigt. Folglich muss ihre Endnachfrage expandieren, was wiederum nur geschehen kann, wenn die Löhne in ganz Europa zulegen und insbesondere in den Ländern, die Überschüsse in der Leistungsbilanz haben, also vor allem in Deutschland. Für Europa als Ganzes auf den Export in den Rest der Welt zu setzen, ist angesichts des geringen Gewichts und der geringen Bereitschaft dort, Leistungsbilanzdefizite zu akzeptieren, von vorneherein aussichtslos.
Können die Staaten die Unternehmen nicht motivieren, können sie selbst nicht einfach von der Bildfläche verschwinden und sagen, was jetzt geschieht, geht uns nichts mehr an. Elend, Arbeitslosigkeit und soziale Konflikte, am Ende die Infragestellung der Demokratie kann der Staat nicht ignorieren, ohne die Werte, die einst für Gesellschaftsform standen, endgültig über Bord zu werfen.
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