Sonntag, 12. Mai 2013

Soll Europa weiter sparen?

Ein Beitrag von Heiner Flassbeck in der Badischen Zeitung vom 10. Mai 2013 - See more at: http://www.flassbeck-economics.de/soll-europa-weiter-sparen-ein-beitrag-von-heiner-flassbeck-in-der-badischen-zeitung-vom-10-mai-2013/#sthash.2gmqasLT.dpuf


Die Frage, die im Titel gestellt wird, kann man eigent­lich nicht beant­wor­ten. Sie müsste lau­ten: Kann Europa wei­ter spa­ren? Auch dar­auf wäre die Ant­wort ein­deu­tig: Nein. Län­der oder Staa­ten kön­nen näm­lich nicht ein­fach so spa­ren wie die schwä­bi­sche Haus­frau. Die kann den Gür­tel enger schnal­len, also ihre Aus­ga­ben ein­schrän­ken, wenn sie ein fes­tes Ein­kom­men hat und schon steigt ihre Erspar­nis oder sinkt ihre Verschuldung.
Der Staat oder ein Land haben aber kein fes­tes Ein­kom­men, son­dern das Ein­kom­men ist selbst abhän­gig von den Ent­schei­dun­gen des Staa­tes hin­sicht­lich sei­ner Ein­nah­men und Aus­ga­ben. Es sinkt, wenn die Aus­ga­ben des Staa­tes sin­ken und auch sonst kei­ner mehr aus­gibt. Wer die schwä­bi­sche Haus­frau als Vor­bild aus­gibt, ist ein Narr oder will bewusst Scha­den anrich­ten. Ver­su­chen in einer Volks­wirt­schaft bestimmte Sek­to­ren immer zu spa­ren, also etwa der große Sek­tor der pri­va­ten Haus­halte, kön­nen nicht alle ande­ren Sek­to­ren auch zu spa­ren ver­su­chen, also der Staat oder die Unter­neh­men, ohne gewal­ti­gen Scha­den anzurichten.
Spa­rende Sek­to­ren erschwe­ren es jeder Volks­wirt­schaft unmit­tel­bar, ihr Ein­kom­mens­ni­veau auch nur kon­stant zu hal­ten, weil die Unter­neh­men und der Staat jeweils zu Beginn eines Monats das volle Ein­kom­men der ande­ren Sek­to­ren in Form von Löh­nen und Ren­ten aus­be­zah­len, wegen der Erspar­nis aber über die Aus­ga­ben der pri­va­ten Haus­halte am Ende des Monats nur etwa neun­zig Pro­zent die­ses Ein­kom­mens zurück­be­kom­men. Zehn Pro­zent lie­gen auf der Bank und wenn sich nie­mand bei der Bank ver­schul­den will und die zehn Pro­zent auf­nimmt und aus­gibt, machen Staat und Unter­neh­men regel­mä­ßig hohe Ver­luste und die Unter­neh­men müs­sen frü­her oder spä­ter Kon­kurs anmelden.
Ver­su­chen alle Sek­to­ren (pri­vate und öffent­li­che Haus­halte und die Unter­neh­men) zu spa­ren, wie es der­zeit in Deutsch­land der Fall ist, kommt logi­scher­weise nur noch das Aus­land als Schuld­ner in Frage. Ver­sucht auch das Aus­land zu spa­ren, weil es zuvor über seine Ver­hält­nisse gelebt hat und von der Troika zum Spa­ren ver­don­nert wird, bricht auch die deut­sche Wirt­schaft zusam­men. Nie­mand kann spa­ren, wenn es keine Schuld­ner gibt.
Wer die­sen abso­lut zwin­gen­den logi­schen Zusam­men­hang, der auf nichts wei­ter als makro­öko­no­mi­scher Buch­hal­tung beruht, igno­riert oder nicht kennt, sollte nicht Ver­ant­wor­tung für Wirt­schafts­po­li­tik über­neh­men. Die Frage ist immer nur, wer spart und wer sich ver­schul­det, nicht, ob man sich über­haupt ver­schul­det, wenn einige Sek­to­ren immer spa­ren. Würde man die Unter­neh­men dazu bekom­men, sich wie frü­her zu Zei­ten des Wirt­schafts­wun­ders zu ver­schul­den und zu inves­tie­ren, kön­nen der Staat und das Aus­land weit­ge­hend ohne Schul­den aus­kom­men. Den Staa­ten Spar­ver­su­che zu ver­ord­nen, wenn alle ande­ren Sek­to­ren auch zu Spa­ren ver­su­chen, ist ver­rückt. Das ist genau das, was man Aus­te­ri­tät nennt und was Frau Mer­kel gemäß ihrer eige­nen Aus­sage beim Spar­kas­sen­tag nicht begrei­fen kann.
Das Argu­ment, der Staat müsse durch seine Spar­ver­su­che Ver­trauen zurück­ge­win­nen, bevor er sich wie­der ver­schul­den könne, ist eben­falls abwe­gig. Seine Ver­schul­dung ist ja in der Regel — wie in der Finanz­krise 2008 — gestie­gen, weil die Pri­va­ten Ver­trauen ver­lo­ren haben und ver­sucht haben, zu spa­ren. Zu sagen, die Pri­va­ten schöpf­ten genau dann Ver­trauen, wenn ihre Spar­ver­su­che miss­lin­gen, weil der Staat zur glei­chen Zeit das Glei­che tut, ist offen­kun­dig absurd.
So geht kein Weg daran vor­bei: Jemand muss sich ver­schul­den, wenn die euro­päi­sche Wirt­schaft den Weg aus der Rezes­sion und der Mas­sen­ar­beits­lo­sig­keit fin­den soll. Kann der Staat oder kön­nen die Staa­ten die Unter­neh­men dazu bewe­gen, das zu tun, schön und gut. Aber die Unter­neh­men sind dazu nur bereit, wenn die Nach­frage und die Aus­las­tung ihrer Kapa­zi­tä­ten steigt. Folg­lich muss ihre End­nach­frage expan­die­ren, was wie­derum nur gesche­hen kann, wenn die Löhne in ganz Europa zule­gen und ins­be­son­dere in den Län­dern, die Über­schüsse in der Leis­tungs­bi­lanz haben, also vor allem in Deutsch­land. Für Europa als Gan­zes auf den Export in den Rest der Welt zu set­zen, ist ange­sichts des gerin­gen Gewichts und der gerin­gen Bereit­schaft dort, Leis­tungs­bi­lanz­de­fi­zite zu akzep­tie­ren, von vor­ne­her­ein aussichtslos.
Kön­nen die Staa­ten die Unter­neh­men nicht moti­vie­ren, kön­nen sie selbst nicht ein­fach von der Bild­flä­che ver­schwin­den und sagen, was jetzt geschieht, geht uns nichts mehr an. Elend, Arbeits­lo­sig­keit und soziale Kon­flikte, am Ende die Infra­ge­stel­lung der Demo­kra­tie kann der Staat nicht igno­rie­ren, ohne die Werte, die einst für Gesell­schafts­form stan­den, end­gül­tig über Bord zu werfen.
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