Sonntag, 30. Juni 2013

Empörung von EU-Politikern über Abhöraktionen verrät viel – über die EU-Politiker und die Politik generell

Da ist sie endlich, die große Aufregung. Der Deutschlandfunk fasst sie in seinen Nachrichten gekonnt zusammen:
“Führende europäische Politiker haben empört auf Meldungen reagiert, nach denen der US-Geheimdienst NSA auch EU-Einrichtungen ausgespäht hat. Der Präsident des EU-Parlaments, Schulz, verlangte umfassende Aufklärung. Sollten die Berichte wahr sein, bedeuteten sie eine große Belastung für die Beziehungen zu den USA, sagte Schulz “Spiegel Online”. Luxemburgs Außenminister Asselborn meinte, Washington solle besser seine Geheimdienste überwachen statt seine Verbündeten. Der Grünen-Politiker Cohn-Bendit sieht das geplante Freihandelsabkommen mit den USA in Gefahr.”
Haben Sie etwas Vergleichbares in den vergangenen Tagen und Wochen gehört, als es um die Abhöraktionen von Bürgerinnen und Bürgern durch den US-Geheimdienst NSA und den britischen Geheimdienst GCHQ ging? Nein, Sie haben außer diplomatischer Zurückhaltung nichts verpasst. Es gab nichts Vergleichbares. Weder in Deutschland, noch in der EU, noch weltweit. Die Politik hat gewissermaßen lautlos mit den Schultern gezuckt. Es ging ja auch nicht um sie; es ging um uns, das Fußvolk.
Und sind wir nicht irgendwie alle kleine Terroristen, die überwacht, abgehört, gegängelt und wenn notwendig auch einmal niedergeknüppelt gehören? Auf einer Blockupy-Demo in Frankfurt zum Beispiel. Auf einer Demo gegen die G 8 in Heiligendamm zum Beispiel. Gut, dass von den Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV so gut wie nichts zu hören ist in den Medien. Erfolgreich totgeschwiegen. Und ist Hartz IV etwa nicht die – immer aus Sicht der Regierenden, denn das ist ja die die zählt – die erfolgreichste Demobilisierungswaffe, die seit Bestehen der Bundesrepublik von der Politik scharf gemacht wurde – und, ganz nebenbei bemerkt: die größte, ganz offiziell durch den Gesetzgeber veranlasste private Abhöraktion in der Geschichte der Bundesrepublik? Mit tatkräftiger Unterstützung der einschlägigen Medien – die damit dem Begriff der “vierten Gewalt”, mit dem die Medien sich selbst gern als Wächter der Demokratie aufspielen, eine ganz neue, eine wörtliche Bedeutung gaben.
Aber da ist schließlich immer noch dieser Quälgeist, dieses weibliche, bundesrepublikanische Pendant Edward Snowdens, die all die Misstände und Gemeinheiten offenlegt, die die Mitarbeiter in Jobcentern (was für ein Wort, fängt hier nicht schon der Terror an, der Staatsterror) tagtäglich an den Bürgerinnen und Bürgern auf Basis von Gesetzen begehen, die vorneweg die SPD und Bündnis 90/Die Grünen in Regierungsverantwortung verfasst und mit CDU/CSU und FDP beschlossen haben – vorneweg auch deswegen die SPD, weil sie sogar immer noch stolz darauf ist, während Bündnis 90/Die Grünen immerhin die Aussetzung der Sanktionspraxis bzw. ein Sanktionsmoratorium fordert und in diesem Jahr dieses menschenverachtende und ökonomisch unsinnige Gesetz nicht auch noch zum zehnjährigen Bestehen gefeiert hat, wie es die SPD getan.
Aber diese Inge Hannemann muss doch auch irgendwie kleinzukriegen sein. Warum geht bloß die Bundesregierung nicht so gegen sie vor, wie die US-Regierung gegen Edward Snowden? Na, dann fangen wir halt mal mit einer kleinen aber kriminalisierenden Pressemitteilung an – wird sich die Bundesagentur für Arbeit gedacht haben, als sie diese Zeilen schrieb (heute, am 30.06.2013 um 8:56 immer noch auf der Seite der Bundesagentur für Arbeit, die an sich Bundesagentur gegen Arbeitslose oder Bundesagentur für Arbeitgeber heißen müsste, zu lesen):
Zur Vergrößerung auf Bild klicken.
Die Vorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit sind immer noch in Amt und Würden. Aber das sind der Präsident der USA und dessen Regierung schließlich auch.
Die Empörung der EU-Politiker über die Abhöraktionen gegen die EU-Institutionen – die wie für sie geschaffen scheinen und ganz offenkundig nicht für uns -, nicht aber über die vorher bekannt gewordenen Abhöraktionen gegen die Bürgerinnen und Bürger weltweit, verrät eben nur ein weiteres Mal, dass die Politiker sich selbst am nächsten stehen, nicht aber dem Volk, dass sie vertreten sollen. Das ist, obwohl seit langem der Fall, ein Skandal, weil es der Demokratie genauso abträglich ist wie die Abhöraktionen der Geheimdienste. Und wir wissen ja noch nicht einmal, was eigentlich alles die Geheimdienste in Deutschland und anderswo im umgekehrten Fall alles unternehmen.

Quelle: Wirtschaft und Gesellschaft
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Pleite-Stadt Berlin verschwendet 80.000 Euro für eine Schein-Fassade

Die Gäste im Auswärtigen Amt sollen einen guten Eindruck von Guido Westerwelle und Berlin bekommen. Daher verlängert der Berliner Senat die Groteske eines potjemkinschen Dorfes und zieht dem Steuerzahler 80.000 Euro für einen historischen Fake aus der Tasche - während Schulen und öffentliche Einrichtungen in der Hauptstadt verkommen.


Mit 80.000 Euro finanziert Berlin den Bau einer Scheinfassade. Zwar steckt die deutsche Hauptstadt tief in den roten Zahlen. Doch um eine schönere Umgebung für das Auswärtige Amt zu schaffen, zahlt man gern.
Der Verein „Internationale Bauakademie“ hatte 2004 eine Schein-Fassade für die Schinkelsche Bauakademie errichtet, berichtet der Berliner Kurier. So wollte der Verein zeigen, wie die 1962 abgerissene Akademie wieder aussehen könnte. Denn er wollte Sponsoren für ihren Wiederaufbau finden. Doch bis heute hat der Verein keinen Interessenten gefunden.
Über die Jahre ist Schein-Fassade der Schinkelschen Bauakademie kaputt gegangen. Die derzeitige Attrappe ist jetzt nur noch ein Gerüst. Denn die schäbigen Reste der Planen wurden irgendwann abgenommen.
Die Berliner Senatsbauverwaltung griff jetzt in den Topf „Entwicklungsmaßnahme Hauptstadt“, um eine neue Schein-Fassade zu errichten. Es wird mit Kosten in Höhe von 80.000 Euro gerechnet.
Latte Macchiato Glas

Sonntag, 23. Juni 2013

Schwere Vorwürfe des Rechnungshofs: Bundesagentur manipuliert und diskriminiert

 Der Bundesrechnungshof hat der Bundesagentur für Arbeit gravierende Vorwürfe gemacht - doch ein entsprechender Prüfbericht wird seit Monaten unter Verschluss gehalten. Wie das Magazin „Spiegel“ berichtet, waren in einer Stichprobe 7 der 156 Arbeitsagenturen sowie 7 Regionaldirektionen drei Monate lang untersucht und dabei »Fehlsteuerungen« und »Entwicklungen, die dem gesetzlichen Auftrag zuwiderlaufen« aufgedeckt worden. Dem Bericht zufolge wirft der Rechnungshof der Bundesagentur außerdem »Manipulationen« vor, mit welchen die Bilanz gefälscht werde; es sei nötig, alle Agenturen auf geschönte Statistiken überprüfen zu lassen, heißt es. Dabei hätten die Prüfer auch nahegelegt, »personalrechtliche« und »strafrechtliche Konsequenzen« zu ziehen.

»Die Tatsache, dass wir in allen geprüften Agenturen Fehlsteuerungen festgestellt haben, zeigt, dass es sich um ein grundsätzliches Problem handelt«, zitiert der „Spiegel“ aus dem Prüfbericht. Einer der zentralen Vorwürfe lautet, dass die Arbeitsagenturen sich auf jene Erwerbslose konzentrierten, die in der Regel leichter also auch ohne Hilfe wieder eine Stelle finden würden. Weil aber nach den internen Maßstäben jeder „Vermittlung“ gleich viel wert sei, versuchten die Agenturen auf diese Weise, die hohen Vorgaben aus der Zentrale zu erfüllen. „Dagegen würden Arbeitslose mit Vermittlungshemmnissen schlechter betreut, da es schwerer sei, mit ihnen die Ziele zu schaffen“, schreibt der „Spiegel“.
Ähnliche Kritik kommt seit langem auch von Insidern wie der Hamburger Arbeitsvermittlerin Inge Hannemann. Dem Bericht zufolge hatten die Arbeitsvermittler für mehr als die Hälfte der Langzeitarbeitslosen keinen Stellensuchlauf durchgeführt und in 45 Prozent der Fälle keinen ernstzunehmenden Kontakt aufgenommen. Der Rechnungshofbericht verweist dabei auf internen Weisungen aus Nürnberg, wonach nur aussichtsreiche Bewerber sofort einen Termin bekommen sollten - was der Rechnungshof als »diskriminierende Vorgehensweise« kritisiert.

Außerdem seien die Prüfer auf Manipulationen gestoßen, etwa, wenn Lehrlinge, die ohnehin von ihrer Firma übernommen werden sollten, später als erfolgreich vermittelt gezählt wurden. »Die bloße Erfassung von sicheren Übertritten mit dem Ziel einer Zählung stellt aus unserer Sicht eine Manipulation dar«, zitiert das Magazin aus dem Bericht.

Man nehme den Bericht ernst, hieß es laut „Spiegel“ bei der Bundesagentur. Auch sei als Konsequenz das Zielsystem weiterentwickelt worden. Bei den Manipulationsvorwürfen folge »die BA der Kritik des Rechnungshofs«, allerdings gebe es »keine systematischen Manipulationen«; sie seien auch nicht im System der Bundesagentur angelegt.

Freitag, 21. Juni 2013

Was glaubt dieser Diktator Erdogan eigentlich

Man könnte den Eindruck gewinnen nicht die Türkei will der EU beitreten sondern die EU muß der Türkei beitreten.
Erdogan hatte friedliche Massenproteste eines großen Teils der Bevölkerung als "terroristisch" und "internationales Komplott" bezeichnet und verkündet, dass er das Europaparlament nicht anerkenne. Dieses hatte zuvor die Polizeigewalt gegen die türkische Protestbewegung scharf verurteilt.

Der türkische EU-Minister Egemen Bagis schrieb daraufhin, die "EU-Autoritäten" täten gut daran, das "irrationale" Europaparlament umgehend zum Schweigen zu bringen. Denn es habe den Verstand verloren und rede Unsinn. Am Dienstag fügte er hinzu, es sei die EU, die die Türkei brauche, notfalls könne die Türkei der EU sagen: "Verzieh dich, mein Sohn."

In diesem Ambiente sagte der türkische Justizminister Sadullah Ergin seine Teilnahme an einer EU-Konferenz zur Presse- und Meinungsfreiheit ab. Man kann sich ungefähr vorstellen, was er zu hören bekommen hätte: Die türkischen Medien hatten die Berichterstattung über die Protestbewegung auf fast tragikomische Weise verweigert und so bewiesen, wie umfassend die Kontrolle der Regierung besonders über die audiovisuellen Medien ist. Die einzigen, kleinen, privaten TV-Sender, die live zu berichten wagten, wurden mit hohen Geldstrafen belegt, und einem drohte sogar die Schließung.


Eine Delegation des Europaparlaments strich ihrerseits eine Türkei-Reise, weil sie niemand von der türkischen Regierung empfangen wollte. Grundsätzlich steht die EU vor dem Dilemma, nach dem als inakzeptabel bewerteten Vorgehen und den ebenso inakzeptablen Reden Erdogans und Bagis' die Regierung in Ankara mit der Öffnung eines neuen Verhandlungskapitels zu "belohnen" – oder aber, es nicht zu öffnen und dadurch letztlich das türkische Volk zu "bestrafen".
Allmählich wird klar, dass Erdogans Politik der Härte gegenüber der Demokratiebewegung seine EU-Politik schwer beschädigt. Derweil schreibt die Zeitung "Milliyet", in den vergangenen 20 Tagen habe die Polizei 130.000 Tränengaspatronen verschossen – das entspricht etwa 32 Tonnen. Nun wolle Ankara dringend 100.000 Patronen Nachschub und 60 zusätzliche Wasserwerfer kaufen.
Mehr als 20 Twitter-Nutzer wurden festgenommen - wegen angeblich "irreführender" Botschaften.
Angst vor dem bösen Internet: Wegen der Verbreitung "irreführender und beleidigender Informationen" im sozialen Netzwerk Twitter sind in der Türkei mindestens 25 Menschen festgenommen worden. Nach etwa zehn weiteren Verdächtigen suchten die Behörden in der westlichen Stadt Izmir noch, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Mittwoch.

Erboster türkischer EU-Minister Bagis droht Merkel

http://www.focus.de/politik/ausland/tid-31991/eu-beitritts-verhandlungen-erboster-tuerkischer-eu-minister-bagis-droht-merkel_aid_1022781.html

Montag, 17. Juni 2013

Erdogan führt Krieg gegen die Menschen der Türkei

Premier Erdogan im Krieg gegen die halbe Türkei

Aus dem ganzen Land rief Erdogan Unterstützer zusammen, um zu zeigen, dass mehr Türken für ihn sind, als gegen ihn. Kurz vorher hatte er die Proteste auf dem Taksim-Platz zerschlagen und verboten.

Eine Fischerboot-Parade zierte die blauen Wasser des Bosporus am Sonntag, alle geschmückt mit identischen Konterfeis des allseits geliebten Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Busse mit seinen Anhängern kamen aus dem ganzen Land, Fähren über den Bosporus wurden für sie organisiert, die öffentlichen Verkehrsmittel waren für sie kostenlos, Fahrzeuge mit AKP-Anhängern hatten Vorfahrt auf den Straßen Istanbuls.
Eine ganze Reihe von Erdogans Sprechern und Ministern hatten angekündigt, dass diese Veranstaltung – um 18 Uhr Ortszeit – ein "Triumph der Demokratie" sein werde, da nämlich werde man sehen, dass die überwältigende Mehrheit der Türken hinter ihm steht. Oder zumindest die 50 Prozent der Wähler, 42,7 Prozent der Wahlberechtigten, die bei den letzten Wahlen für ihn stimmten.
Auch jene, die seit mehr als zwei Wochen täglich in vielen Städten gegen ihn demonstrieren, wollten zeigen, wie viele sie sind. "Eine Million" Menschen sollten zum Taksim-Platz kommen, so wie dies bereits am 1. Juni geschehen war.
Das hätte natürlich schlecht ausgesehen, und so ließ Erdogan ohne Vorwarnung am Samstagabend den Taksim-Platz und den seit zwei Wochen besetzten Gezi-Park mit außerordentlicher Polizei-Gewalt räumen. Jeden Tag seit dem 1. Juni waren dort Zehntausende zusammengekommen, an Wochenenden sogar Hunderttausende – und hatten in Volksfeststimmung ein Gefühl von Freiheit genossen, das vielen von ihnen als etwas ganz Neues, Elektrisierendes erschien.

Straßenschlacht in weiten Teilen Istanbuls

Die Polizeiaktion in der Nacht wurde zu einer Straßenschlacht in weiten Teilen Istanbuls. Auch die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth wurde in Mitleidenschaft gezogen: Gegen das Divan-Hotel, das wie drei andere Luxushotels seine Türen für Demonstranten und vor allem Verwundete geöffnet hatte, setzte die Polizei Wasserwerfer und Tränengas ein, brach am Ende sogar durch die geschlossenen Türen.
In dieser Nacht geschah viel, was keine Werbung für die "moderne, demokratische" Türkei war – paramilitärische Einheiten wurden eingesetzt, EU-Minister Egemen Bagis, so hieß es in den Medien, habe erklärt, dass "jeder, der in dieser Nacht den Taksim-Platz betritt, als Terrorist behandelt wird".
Dutzende von Demonstranten wurden verhaftet, aber nach Angaben von Anwälten konnte nur für 13 von ihnen festgestellt werden, wo sie gefangen gehalten wurden. Mindestens ein Arzt und ein Medizinstudent wurden verhaftet, die Demonstranten geholfen hatten, und Gouverneur Avni Mutlu rief Mediziner auf, bitte keinen verletzten Demonstranten zu helfen.
Allein das "Deutsche Krankenhaus", das nur so heißt, aber nicht deutsch ist, behandelte rund 40 Verletzte, bis gegen 3.30 Uhr Ortszeit ein Wasserwerfer das Krankenhaus besprühte und Polizei Zugang erzwang.

Schon im Ansatz Tränengas eingesetzt

Bis nach 8 Uhr morgens dauerten die Auseinandersetzungen an. Danach war der Taksim-Platz geräumt, abgesperrt und für niemanden außer für Ordnungskräfte zugänglich. Auch nicht für Frau Roth, die versuchte, sich als Bundestagsabgeordnete Zugang zu verschaffen.
Ab 15 Uhr wollten die Demonstranten erneut von drei Richtungen auf den Taksim-Platz marschieren. Aber an diesem Tag wollten die Behörden um jeden Preis verhindern, dass sich Menschenmengen bilden. Schon im Ansatz wurde gegen kleinste Gruppen Tränengas eingesetzt.
Gouverneur Avni Mutlu warnte, dass "Demonstranten tödliche Waffen eingesetzt" hätten, und dass sich die Bevölkerung von den Protesten fernhalten sollte. Für die Behauptung gab es keinen Beweis, aber es klang nach einer Drohung: Dass die Sicherheitskräfte auch noch brutaler werden und notfalls scharfe Munition einsetzen könnten. Mutlu empfahl, möglichst gar nicht auf die Straßen zu gehen.
Das kam einer "empfohlenen" Ausgangssperre gleich, zumindest in den Stadtteilen, wo Proteste gegen Erdogan zu erwarten waren. Aber dort, wo seine große Parteiveranstaltung geplant war, im vorwiegend von AKP-Anhängern bewohnten Stadtteil Zeytinburnu, da war es eher das Gegenteil – hier rief die Regierung die Menschen auf die Straßen.

Auch in anderen Städten

Bis 16 Uhr Ortszeit war die Rechnung weitgehend aufgegangen. Es war nicht der Tag der eine "Million" Demonstranten, sondern ein Tag, an dem vor allem die hartgesottensten Aktivisten von Splittergruppen, etwa der kommunistischen Halk Evi, mit professioneller Ausrüstung Katz und Maus spielten mit der Polizei. Schon gegen 14.30 Uhr formieren sie sich. "Wir werden in Taksim kämpfen", sagt einer, die Augen strahlen fast, er freut sich, dass die Regierung in Bedrängnis ist wegen – nun, letztendlich auch wegen Leuten wie ihm.
Während in Istanbul weitflächig kleinere Gruppen – aber gegen 17 Uhr doch insgesamt Tausende – von der Polizei herumgejagt wurden, kam es auch in anderen Städten zu Polizeieinsätzen gegen Demonstranten, insbesondere in Ankara.
Dort sind seit Beginn der Protestbewegung fast so viele Menschen verletzt worden wie in Istanbul, es wurde aber bislang sehr viel weniger darüber berichtet. Insgesamt wurden bei den Auseinandersetzungen im ganzen Land – ohne die Aktionen von Sonntag – nach Angaben der türkischen Ärztevereinigung mehr als 7000 Menschen verletzt.

"Das ist Krieg gegen die Menschen"

Kaum ein Wort internationaler Kritik war am Sonntag zu hören gegen Erdogans Vorgehen. Und so hatte Frau Roth, weil sie zufällig vor Ort war, die Bühne für sich ganz allein. "Das ist Krieg, Krieg gegen die Menschen in der Türkei. Die Menschen im Gezi-Park, das sind auch die Menschen der Türkei", sagte sie.
Lange Zeit waren die Grünen insgesamt, und ihre beiden Vorsitzenden Cem Özdemir und Claudia Roth sehr zurückhaltend mit Kritik gegenüber der Regierung von Ministerpräsident Erdogan. Jetzt aber hat er sich aus diesen beiden, besonders aber aus Frau Roth nach ihrer tränenreichen Nacht, entschlossene Gegner gemacht. Das Vorgehen gegen Ärzte und Eindringen in Krankenhäuser nannte sie "ein Kriegsverbrechen".
"Alle deutschen Partnerstädte türkischer Gemeinden sollten protestieren", meinte Frau Roth. "Sie sollten Delegationen entsenden in die Partnergemeinden, Solidarität und Präsenz zeigen, nicht immer nur Friede-Freude-Eierkuchen." Der jüdisch türkische Schriftsteller Mario Levi sitzt nickend neben ihr, es ist Sonntag morgen in einem Café im Stadtteil Cihangir, nachher wird Frau Roth dort eine Pressekonferenz geben.

"Da sind ja auch viele Türken Mitglied"

Punkt für Punkt gehen sie die Möglichkeiten durch. Proteste der Schriftsteller? "Wissen Sie", sagt Mario Levi, "wir alle vom Vorstand des Pen-Club sind bereits angeklagt, weil wir den Pianisten Fazil Say mit einer Presserklärung unterstützten".
Say war vor einigen Monaten wegen Blasphemie verurteilt worden. Zugegeben, in der Presseerklärung war vom "faschistischen türkischen Staat" die Rede gewesen, was vielleicht etwas starker Tobak ist, wenn es doch eine gewählte Regierung gibt.
Und weiter geht es – die Schauspieler, die Gewerkschaften, "wir können sicher den Deutschen Gewerkschaftsbund dazu bewegen, Stellung zu beziehen", sagt Frau Roth. "Da sind ja auch viele Türken Mitglied."
Weiterführende Links:

Freitag, 14. Juni 2013

Sonntag, 9. Juni 2013

Kein Staat wird in Deutschland so kritisch gesehen wie Israel

Obwohl er die einzige Demokratie im Nahen Osten ist und Herausragendes in Bereichen wie Medizin, Telekommunikation, Softwareentwicklung oder erneuerbare Energien leistet, hält eine Mehrheit hierzulande den jüdischen Staat für die größte Bedrohung für den Weltfrieden.
Außerdem traut man ihm zu, an den Palästinensern Verbrechen zu begehen, die mit denen der Nazis an den Juden vergleichbar sind. Woher kommt dieses ausgesprochen schlechte Image?
Die Grundlagen dafür werden vermutlich schon in der Schule gelegt. Die drei großen Schulbuchverlage, Klett, Westermann und Cornelsen, haben allesamt ausführliche Materialien zum Nahost-Konflikt im Angebot, den Schülern wird dabei ein einseitiger Blick auf diesen Krisenherd vermittelt, der die israelische Seite zum Täter macht und die palästinensische zum Opfer.
Zum Teil werden Texte verwendet, die Anfang der Neunzigerjahre geschrieben wurden und darum hoffnungslos veraltet sind, andere Beiträge stecken voller historischer Fehler und Verdrehungen.

Jeder große Verlag beschäftigt sich mit Konflikt

Jeder der großen Verlage hat ein Buch auf dem Markt, welches sich ausführlich mit dem Nahost-Konflikt beschäftigt. So ist von Cornelsen "Forum Geschichte 12" in Umlauf, das diesem Thema 50 Seiten Platz einräumt, die es in sich haben.
Israel wurde auf "arabischem Land" gegründet, und einer einflussreichen jüdischen Lobby gelang es, die westliche Welt für die Zweistaatenlösung zu gewinnen. Ausführlich wird auf die Flüchtlingsproblematik eingegangen, wobei diese sich auf die Araber reduziert, dass auch Juden vertrieben wurden, bleibt unerwähnt.
Als nach der israelischen Staatsgründung arabische Armeen in Israel einfielen, äußerte die Arabische Liga die Hoffnung, dass unter den Juden ein Gemetzel angerichtet wird, welches an die der Kreuzritter und Mongolen heranreicht.
Die Schüler lesen eine andere Version: "Die Freiwilligen- und regulären Armeen aus den arabischen Ländern intervenierten erst, als dieser Prozess [die Vertreibung der arabischen Bevölkerung] in vollem Gange war und sich herausstellte, dass die Palästinenser ihm weitgehend hilflos ausgesetzt waren." So wird bei Westermann aus einem gescheiterten Vernichtungskrieg eine humanitäre Intervention.

Israelische Verganenheit wird tendenziös dargestellt

Ebenso wie die Staatsgründung wird auch die nähere Vergangenheit Israels tendenziös dargestellt. Die zweite Intifada, die im Jahr 2000 begann, wird als "Aufstand der Bevölkerung in der Westbank und im Gazastreifen" vorgestellt, deren Auslöser Ariel Scharons Besuch auf dem Tempelberg gewesen sein soll.
Dabei ist längst bekannt, dass die zweite Intifada monatelang vorbereitet wurde und dieser Besuch nur der Vorwand war, um mit dem Terror gegen die israelische Bevölkerung zu beginnen. Kein Wort findet sich dazu, dass Arafat noch kurz vor Beginn der zweiten Intifada ein weitreichendes Friedensangebot ablehnte.
Überhaupt werden israelische Friedensbemühungen unterschlagen. So heißt es an einer anderen Stelle, dass weder die israelische noch die palästinensische Führung bereit waren, für einen Frieden das "Risiko einer Konfrontation mit ihren innenpolitischen Widersachern einzugehen."
Für die israelische Seite stimmt das nicht, denn die Räumung der Siedlungen im Gazastreifen war genau eine solche Konfrontation, die das Land spaltete und heftig umstritten war.

Bücher bleiben ohne Beanstandung

Ebenfalls knapp 50 Seiten lang ist "Horizonte 12" von Westermann. Wie jedes andere Schulbuch auch, musste es eine mehrmonatige Prüfung durch Verlag, Ministerium, Lektoren und Gutachter durchstehen. Ohne Beanstandung blieb dabei, dass die Palästinenser systematisch als Opfer dargestellt werden.
Sie greifen nie aus taktischen Gründen zum Terror, sondern immer "unter Druck" oder wenn sie ihre Sache als "verraten und perspektivlos erkannten". Selbstmordattentate sind keineswegs das Ergebnis religiösen Wahns, sondern die Folge "schlechter wirtschaftlicher Lage", und der Mufti von Jerusalem, der als Freund Adolf Hitlers die Endlösung der Judenfrage unterstützte, wurde von den Nazis "geschickt instrumentalisiert".
Berechnend ist hingegen der "jüdische Terror", der mit "gezielten Aktionen" für die Flucht vieler Araber sorgte. Juden begehen ihre Massaker kühl kalkulierend, Araber aus der Not heraus.
Wo palästinensischer Terror nicht ignoriert werden kann, wird er zumindest verharmlost. Über den Anschlag auf die Olympischen Spiele von 1972 in München liest man, dass "eine palästinensische Terrorgruppe einen Teil der israelischen Olympiamannschaft in ihre Gewalt brachte".

Einwohner Ost-Jerusalems werden "Siedler" genannt

Kein Wort dazu, dass die Geiseln alle umgebracht wurden. In strittigen Punkten wird die palästinensische Sichtweise oft direkt übernommen. Israelisch-jüdische Einwohner von Ost-Jerusalem werden als Siedler bezeichnet, und die größten Hürden für einen möglichen Frieden sind "die Verteilung der Wasser-Ressourcen, die Rückkehr palästinensischer Flüchtlinge, die Zukunft der jüdischen Siedlungen in den besetzten Gebieten sowie der Status von Jerusalem".
Nicht auf die Liste der Friedenshindernisse haben es der palästinensische Terrorismus und die Charta der Hamas geschafft, die zur Vernichtung Israels aufruft und Friedensgespräche mit dem jüdischen Staat grundsätzlich ablehnt.
Im Buch "Thema Geschichte - Der Islam" vom Schroedel Verlag, der wiederum zur Westermann Verlagsgruppe gehört, erfährt der Schüler, dass die Israelis den Palästinensern "unermessliches Leid" zufügen.
Laut diesem Buch sind außerdem "ca. 1 Million" Araber vor den Israelis geflohen, womit sogar die offiziellen Zahlen der Generaldelegation Palästinas in der Bundesrepublik Deutschland in den Schatten gestellt werden, die von 700.000 spricht.

Intifada? Daran sind die Israelis schuld

Historiker gehen wiederum zumeist von 500.000 bis 750 000 Flüchtlingen aus. Die Millionenmarke knackt Schroedel exklusiv.
Auch Klett informiert auf ähnlichem Niveau. Das Heft " Nahost - Der Kampf um das Heilige Land ", 58 Seiten dick, bemüht sich offiziell, ebenfalls nicht Partei zu ergreifen – und ergreift sie eben doch. Die zweite Intifada geht auch hier auf das Konto der Israelis.
Allerdings geht Klett noch einen Schritt weiter und behauptet, die Intifada sei die "Reaktion auf die Sackgasse, in der die PLO angesichts der Unnachgiebigkeit Israels festsaß".
Bei dieser angeblichen Unnachgiebigkeit handelte es sich um ein Friedensangebot der Israelis, welches Arafat im Sommer 2000 vorgelegt wurde und das sogar arabische Beobachtern als überraschend großzügig bezeichneten. Arafat lehnte ab und startete die zweite Intifada. Er beantwortete ein Friedensangebot mit Krieg, und Klett macht daraus israelische Unnachgiebigkeit.

Antisemitismus spielt keine Rolle in den Büchern

In keinem Schulbuch wird Antisemitismus als ein Antrieb für den irrationalen Hass auf die Juden erwähnt, dabei ist der Nahost-Konflikt für die Hamas kein territorialer Konflikt, sondern ein religiöser Kampf gegen das Judentum und für die Errichtung eines Gottesstaates.
Israel die Hauptschuld am Konflikt zu geben und die palästinensische Seite pathologisch aus der Verantwortung zu nehmen, nähert die Schüler zwar erfolgreich an die deutsche Mainstream-Meinung in Bezug auf den Nahost-Konflikt an, aber eben auf Kosten der Realität.
Cornelsen, Westermann und Klett, die 90 Prozent des deutschen Schulbuchmarktes unter sich aufteilen, sehen dennoch keinen Anlass, ihre Präsentationen kritisch zu hinterfragen.

Cornelsen ist sich keiner Schuld bewusst

"Zentrales Anliegen eines modernen Geschichtsunterrichts", erklärtCornelsen , "ist es, die Schüler zu einem vertieften und reflektiertem Umgang mit Geschichte zu befähigen."
Ein Wort, das dabei immer wieder fällt, lautet Multiperspektivität. Es gibt nicht die eine richtige Deutung eines Ereignisses, sondern verschiedene, und sie sollen alle berücksichtigt werden, das ist Multiperspektivität.
Eine Wertung findet nicht statt, jeder darf sich die Version aussuchen, die ihm gefällt. Nach dieser Logik müssten auch die Sichtweisen von Stasi-Mitarbeitern und Stasi-Opfern im Geschichtsunterricht ohne Wertung präsentiert werden.
Man darf vermuten, dass die Terrororganisation Hamas weniger am Niveau der deutschen Schulbücher auszusetzen hätte als die israelische Seite.

Samstag, 8. Juni 2013

Wahlkampf Flutopfer

Manchmal gibt es schönfärberischen Populismus, der mich so richtig ankotzt. Zum Beispiel der Merkel'sche Flutopfer-Wahlkampf. Da verkündete eine Kanzlerin, bei der ich mir lieber die Finger abgebissen hätte, als die zu wählen, in Passau großspurig, dass 50 Millionen Euro Soforthilfe für Bayern zur Verfügung gestellt werden sollen. Die seitens der Kanzlerin versprochenen 50 Millionen hören sich ja zuerst mal nach richtig viel an. Machen wir uns aber nichts vor: Ein Haus, das unter Wasser gestanden hat, kann man nur noch abreißen! Ein Neubau ist unter 300.000 Euro nicht zu bekommen. Teilt man den von der Kanzlerin genannten Betrag aber durch die Neubaukosten eines Hauses, dann kommt man gerade mal auf schlappe 166 Häuser. Bauernhöfe und sowas nicht mitgerechnet. Betriebe sind im Ar... und von deren Arbeitskräften werden wohl nicht Wenige demnächst Hartz-IV beantragen dürfen und damit all das verlieren, was sie vielleicht noch vor der Flut retten konnten. Sorry, aber ... - als Soforthilfe betrachte ich das ganz bestimmt nicht. Für mich ist das reiner Populismus, ist das Wahlkampf auf Kosten der Flutopfer!


Aber es kommt noch besser. Lt. Merkel müsse man erst mal schauen, ob in Thüringen, Sachsen und Sachen-Anhalt überhaupt Geld benötigt wird. Das nenne ich mal Gleichbehandlung von Bundesländern! Bayern ist was wert - da kommt mit der CSU ja auch 'ne Schwesterpartei her - und der Rest der Bananenrepublik darf ruhig im Dreckwasser ersaufen. Merkels Pressesprecher machte der Kanzlerin dann klar, dass so etwas bei der Bevölkerung vielleicht nicht wirklich gut ankommt. Ein paar Stunden später verkündete die Kanzlerin daraufhin im sächsischen Pirna, dass für die genannten restlichen drei Bundesländer nochmal 50 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden sollen. Dort können also künftig als Ersatz für abgesoffene Ortschaften pro Bundesland 55 neue Häuser gebaut werden. Gaaaanz toll!
Es geht bei den Flutopfern ja auch nur um's Fußvolk. Zum Vergleich: Im Oktober 2012 betrug alleine das Vermögen der hundert reichsten Deutschen 320 Milliarden Euro. Vielleicht sollte man die mal am "Volkswohl" beteiligen, anstatt mit Hinblick auf den Wahlkampf werbewirksam mit Fotografen und Staatssekretären durch die (trockenen) Lande zu ziehen? Oder wie war das doch gleich 2009 mit dem Bankenrettungsrettungspaket i. H. von 480 Milliarden Euro? Klar, kann man nicht vergleichen. So ein schmucker, von der Polizei vor dem Volk zu schützender Bau aus Beton und Glas ist doch viel prestigeträchtiger als ein paar Einfamilienhäuser vom lästigen Stimmvieh ... Kleines Kuriosum am Rande: Die von den Menschen selbst organisierte Hilfe funktioniert bereits, während der Staat noch am Überlegen ist! Wozu brauchen wir dann so einen Staat überhaupt?
flut
Hochwasser in Deutschland 2013 - (c) unbekannt, Google-Download.

Montag, 3. Juni 2013

Die Türkei ist keine Demokratie - Erdogan regiert als Diktator

Der türkische Ministerpräsident Erdogan hat den Demonstranten in seinem Land gedroht. Der Geheimdienst sei „inländischen und ausländischen Gruppen“ auf der Spur, mit denen „abgerechnet“ werde.

Nach einer neuen Nacht der Gewalt hat der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan seine Drohungen gegen demonstrierende Regierungsgegner verschärft. Der türkische Geheimdienst sei inländischen und ausländischen Gruppen auf der Spur, mit denen noch abgerechnet werde, sagte Erdogan am Montag, bevor er ungeachtet der Spannungen zu einem Besuch nach Marokko abflog. Erdogan rief vor der Abreise zu seinem Nordafrika-Besuch zur Ruhe auf und sagte, die Protestwelle gegen ihn und seine Regierung sei von Extremisten organisiert.

In mehreren Städten der Türkei lieferten sich Demonstranten abermals Straßenkämpfe mit der Polizei. Schwere Zusammenstöße gab es in der Nacht zum Montag in der Hauptstadt Ankara rund um ein Einkaufszentrum. Bei den Protesten gegen die islamisch-konservative Regierung kam es dort nach Angaben einer türkischen Oppositionspolitikerin zu Massenfestnahmen. Sie habe die Polizei besucht und erfahren, dass 1500 Menschen in Gewahrsam seien, sagte Aylin Nazliaka, Abgeordnete der Republikanischen Volkspartei CHP, der „Hürriyet Daily News“. „Als wir dort waren, kamen neun weitere Busse an.“ Die Festgenommenen seien gefesselt, Kontakte zu Rechtsanwälten sei nicht erlaubt. Sie würden fotografiert und gedrängt, Geständnisse zu unterschreiben.


Gül: Demokratie bedeutet nicht allein Wahlen zu haben

Die Protestwelle hatte sich an der gewaltsamen Räumung eines Protestlagers entzündet, mit dem die Zerstörung des Gezi-Parks am zentralen Taksim-Platz in Istanbul verhindert werden sollte. Inzwischen richten sich die Proteste vor allem gegen einen als immer autoritärer empfundenen Kurs Erdogans.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verfolge das harte Vorgehen der türkischen Polizei mit Sorge, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin: „Das Gebot der Stunde ist Deeskalation und Dialog.“ Das Recht der Bürger auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit sei ein Grundrecht in einer Demokratie.
Der türkische Staatspräsident Abdullah Gül sagte: „Demokratie bedeutet nicht allein Wahlen zu haben.“ Unterschiedliche Meinungen müssten geäußert werden, aber mit gegenseitigem Respekt. „Wir leben in einer offenen Gesellschaft.“ Die Botschaft der Demonstranten werde gehört. Am Wochenende hatte Gül bereits interveniert, um den wegen Brutalität international kritisierten Polizeieinsatz auf dem Taksim-Platz zu beenden.
Der türkische Ministerpräsident wird sich daran gewöhnen müssen, dass sich auch in seinem Land die Bürger nicht mehr damit zufrieden geben, alle vier Jahre ihre Stimme abzugeben, ansonsten aber zu schweigen. Tayyip Erdogan scheint seinen eindrucksvollen dritten Wahlsieg im vergangenen Jahr als Freifahrtschein für selbstherrliches Regieren missverstanden zu haben. In ihrer dritten Legislaturperiode nimmt die Herrschaft seiner allein regierenden AKP immer mehr autoritäre Züge an.
Das mag in den anatolischen Hochburgen der AKP weiterhin funktionieren, aber nicht (mehr) in Istanbul. Unversehens wurde hier aus einem lokalen Protest ein Ereignis, das selbst in Washington Aufsehen erregte. Auf die Vorhaltungen einer Sprecherin des State Department, die Stabilität der Türkei hänge von der Gewährung demokratischer Grundrechte ab, reagierte der innenpolitische Niederlagen nicht gewohnte Erdogan recht dünnhäutig: Wer der Türkei Ratschläge erteilen wolle, solle besser bei sich selbst beginnen

Sonntag, 2. Juni 2013

Demokratie bedroht

 Polizei provoziert Eskalation durch Gewalt gegen Demonstranten - Einkesselung, Schlagstöcke, Pfefferspray. 

Bei der Frankfurter Blockupy-Demonstration ist die Polizei am Samstag hart vorgegangen. Mehrere hundert Menschen wurden eingekesselt, es gab Schwerverletzte.

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/frankfurt-schwerverletzte-bei-blockupy-demonstration-12204307.html

Blockupy-Tage in FrankfurtIm Kessel

 ·  Eine Demonstration und was daraus wurde: In Frankfurt beginnt der Protestzug von Blockupy bunt und friedlich, aber bald geht nichts mehr. Die Polizei greift hart ein; ohne einen echten Grund, sagen viele.