Sonntag, 21. Juli 2013

Paranoider Erdogan attackiert NGOs und Banken

In Istanbul darf zwar wieder demonstriert werden. Doch die rechtlichen Folgen für die Wortführer der Protestbewegung gegen Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan werden immer härter.


Noch vor Kurzem hatte Istanbuls Gouverneur Avni Mutlu die Bevölkerung Istanbuls gewarnt, im wieder eröffneten Gezi-Park – das ikonische Zentrum der Protestbewegung gegen die Regierung – dürfe man nur "laufen, nicht verharren" oder gar Demonstrationen abhalten. Aber seit Beginn des Fastenmonats Ramadan duldet die Regierung genau das: Jede Nacht strömen zwischen 3000 und 5000 Demonstranten in den Park, und die Polizei lässt sie gewähren. Es gibt dabei auch kein besonderes Problem, etwa Gewalt der Protestierer oder Sachbeschädigung.
Da fragt man sich unwillkürlich: Warum nicht gleich so? Bis die Polizei diese deeskalierende Taktik wählte, mussten fünf Menschen sterben, zählte die türkische Ärztevereinigung 8500 Verletzte, die meisten durch Tränengas.
Aber der mittlerweile friedlichere Schein in den Straßen der Istanbuler Innenstadt, wo nun jeden Abend ein rivalisierendes Fastenbrechen stattfindet (am Taksim-Platz pro-AKP, in der Einkaufsmeile Istiklal die Protestbewegung) verbirgt eine dramatische Verschärfung des Vorgehens der Regierung gegen jene Nichtregierungs-Organisationen, die ihr seit Ende Mai so viel Kummer bereiten.
Es waren die "Taksim-Solidarität" und und die Istanbuler Architektenkammer, die die Proteste gegen das Bauprojekt am Gezi-Park auslösten. Nun hat das Parlament in einer mitternächtlichen Abstimmung die Kammer aus künftigen Stadtplanungs-Projekten ausgeschlossen.

Demo-Organisatoren drohen harte Strafen

Die führenden Persönlichkeiten der politisch links orientierten Dachorganisation Taksim-Solidarität wurden verhaftet, die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, eine "illegale Organisation" gegründet zu haben (eben Taksim-Solidarität). Den 12 Verhafteten wird überdies zur Last gelegt, über Twitter und soziale Netzwerke die Istanbuler Bevölkerung zu Protesten aufgerufen zu haben, was zu Sachbeschädigung und zahlreichen Körperverletzungen geführt habe.
Die Organisation sei verantwortlich für schwere wirtschaftliche Verluste der Geschäfte und Hotels in der Innenstadt, habe den Gezi-Park für den Publikumsverkehr unzugänglich gemacht und den Verkehr wochenlang blockiert. Das klingt ganz so, als müssten sich die Organisatoren auf sehr harte Haftstrafen gefasst machen.
Es sind Führer der unterschiedlichsten Gruppen, die sich zu "Taksim-Solidarität" zusammengeschlossen hatten: Die linke "Disk"-Gewerkschaft, die Städteplaner-Kammer, die Ärztevereinigung - von dort kamen während der Proteste die Zahlen über Tote und Verletzte sowie medizinische Versorgung der Verwundeten.
Diese Nachrichten lassen den Eindruck entstehen, dass die Regierung nun vielleicht etwas behutsamer gegen die Demonstranten auf der Straße vorgehen will, dafür aber umso härter gegen jeden, der Demonstrationen organisiert.

Erdogan fürchtet "Verschwörung der Zinslobby"

Aber das ist nicht alles – auch die Banken und der Finanzsektor geraten ins Fadenkreuz der Ermittler. Jede Banktransaktion von mehr als zwei Millionen Dollar soll untersucht werden, und schon vor Wochen wurden allen Börsenmaklern befohlen, sämtliche Aufträge, Emails und sonstige Kommunikation mit Kunden und Auftraggebern in den Wochen der Gezi-Park-Proteste an die Finanzaufsicht zu übergeben.
Man will nach Unregelmäßigkeiten forschen, denn die Istanbuler Börse hat seit Mai fast ein Viertel ihres Wertes verloren. Das liegt nicht nur an den Protesten, aber die Maßnahmen selbst verschärften wahrscheinlich den Effekt, schrieb "Bloomberg" vor einiger Zeit. Denn Investoren dürfte eine solche Politik vor allem abschrecken.
Die Maßnahmen scheinen zu signalisieren, dass Ministerpräsident Erdogan seine öffentlichen Behauptungen ganz ernst meint, eine mysteriöse "internationale Zinslobby" wolle ihn stürzen. "Wir werden die Banken würgen", hatte er auf dem Höhepunkt der Proteste angekündigt, und das Volk aufgefordert, sein Geld zu den staatlichen statt zu den privaten Banken zu tragen.
Woher er diese Verschwörungsängste hat, dafür gab es ein Indiz, als vor wenigen Tagen der Journalist Yigit Bulut zu seinem neuen Berater ernannt wurde. Die Verschwörung der Zinslobby ist eines von Buluts Lieblingsthemen, zudem wird von ihm berichtet, er mache sich Sorgen um Mordpläne westlicher Mächte gegen Erdogan durch "Telekinese".
Derweil dementierte die türkische Staatsanwaltschaft Berichte, sie habe ein Verfahren gegen die ägyptischen Coup-Führer wegen "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" eröffnet. Es sei lediglich eine solche Anzeige eingegangen, von einer Organisation namens Mazlum-Der, und diese Anzeige werde jetzt einem "Prozedere" zugeführt.
Photovltaikversichrung vom Spezialisten

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