Mittwoch, 11. Dezember 2013

Deutschland ist ein Billiglohnland

Die Kritik am deutschen Wirtschaftsmodell reißt nicht ab. Nun teilt der US-Ökonom Adam Posen kräftig aus. „Deutschland bringt seine Beschäftigten um die Früchte ihrer Arbeit,“ beklagt er.

Der amerikanische Top-Ökonom Adam Posen macht seinem ganzen Ärger über die deutsche Wirtschaftspolitik im US-Fernsehen Luft. „Deutschland liegt in gleich fünf Punkten daneben,“ sagte Posen im Interview mit dem Sender CNBC. Dann zählt das langjährige Mitglied im Rat der Bank von England seine Kritikpunkte auf: „Erstens zahlt Deutschland seinen Arbeitnehmern keinen der Produktivität entsprechenden Lohn. Es bringt seine Beschäftigten um die Früchte ihrer Arbeit. Zweitens investiert es nichts, weder im öffentlichen noch in den privaten Sektor.“ Beides zusammen führe drittens dazu, dass „Deutschland als Billiglohnland konkurriert. “

Das war aber noch nicht alles: „Viertens zockt Deutschland andere Länder ab, weil seine Exporte durch den schwachen Euro subventioniert werden. Und fünftens nimmt es anderen Ländern Marktanteile weg, indem es Deflation exportiert.“

Posens Fazit: „Deutschlands Wirtschaftspolitik verursacht überall Probleme.“ Auf den Einwand der Reporterin hin, dass Deutschland den Wechselkurs des Euro gar nicht manipuliere, räumt Posen dies zwar ein. Er kritisiert jedoch, dass Deutschland das System manipuliere und nicht genug tue, um die globalen Ungleichgewichte abzubauen. So leiste Deutschland nicht genug Transferzahlungen an die Krisenländer in Südeuropa und blockiere außerdem eine expansivere Geldpolitik.
Nicht nur von amerikanischer Seite gerät Deutschland wegen seiner Wirtschaftspolitik immer mehr in die Schusslinie. Auch die EU-Kommission fordert von Deutschland konkrete Gegenmaßnahmen gegen seine massiven Exportüberschüsse. "Die Wahrheit ist, dass der einheitliche Markt in seiner derzeitigen Form Deutschland erlaubt, seine Wettbewerbsvorteile - also Technologie und Industrie - auszuspielen", sagte EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso am Dienstagabend auf einer Veranstaltung in der Frankfurter Paulskirche.
Im Gegenzug sollte Deutschland mehr tun, damit auch andere Länder ihre Vorteile zur Geltung bringen können. Möglich wären eine weitere Öffnung des Dienstleistungssektors oder eine Lohnentwicklung, die im Einklang mit der Produktivität stehe, führte Barroso aus. Damit könnten stärkere Volkswirtschaften einen sehr wichtigen Beitrag zur Erholung von schwächeren Ländern leisten.

Quelle: http://www.handelsblatt.com/politik/konjunktur/nachrichten/us-top-oekonom-deutschland-ist-ein-billiglohnland/9063064.html

Welche Länder haben einen höheren Exportüberschuss?
Derzeit kein anderes, nicht einmal Exportweltmeister China. 2012 lag der deutsche Überschuss mit umgerechnet 238 Milliarden US-Dollar sowohl über dem von China (193 Mrd) als auch dem des ölreichen Saudi-Arabien (165 Mrd). Mit der Erholung der Weltkonjunktur dürfte sich der deutsche Leistungsbilanzüberschuss in diesem Jahr auf die 200-Milliarden-Euro-Marke zubewegen, prognostiziert das Münchner Ifo-Institut. Das wäre ein Rekord.

Warum werden die Überschüsse kritisiert?
Die USA, aber auch der Internationale Währungsfonds zählen sie zu den großen Ungleichgewichten in der Weltwirtschaft, die für die globale Finanz- und die Schuldenkrise in Europa mitverantwortlich sind. Denn Ländern mit Exportüberschüssen stehen welche mit Defiziten gegenüber, die ihre Importe über Schulden finanzieren müssen. Die EU-Kommission stuft einen Leistungsbilanzüberschuss von mehr als sechs Prozent der Wirtschaftsleistung als stabilitätsgefährdend ein. Bei einer längeren Fehlentwicklung droht sie deshalb mit einem Mahnverfahren, an dessen Ende ein Bußgeld stehen könnte. Im ersten Halbjahr lag der deutsche Überschuss bei 7,2 Prozent.
 

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