Sonntag, 30. Juni 2013

Empörung von EU-Politikern über Abhöraktionen verrät viel – über die EU-Politiker und die Politik generell

Da ist sie endlich, die große Aufregung. Der Deutschlandfunk fasst sie in seinen Nachrichten gekonnt zusammen:
“Führende europäische Politiker haben empört auf Meldungen reagiert, nach denen der US-Geheimdienst NSA auch EU-Einrichtungen ausgespäht hat. Der Präsident des EU-Parlaments, Schulz, verlangte umfassende Aufklärung. Sollten die Berichte wahr sein, bedeuteten sie eine große Belastung für die Beziehungen zu den USA, sagte Schulz “Spiegel Online”. Luxemburgs Außenminister Asselborn meinte, Washington solle besser seine Geheimdienste überwachen statt seine Verbündeten. Der Grünen-Politiker Cohn-Bendit sieht das geplante Freihandelsabkommen mit den USA in Gefahr.”
Haben Sie etwas Vergleichbares in den vergangenen Tagen und Wochen gehört, als es um die Abhöraktionen von Bürgerinnen und Bürgern durch den US-Geheimdienst NSA und den britischen Geheimdienst GCHQ ging? Nein, Sie haben außer diplomatischer Zurückhaltung nichts verpasst. Es gab nichts Vergleichbares. Weder in Deutschland, noch in der EU, noch weltweit. Die Politik hat gewissermaßen lautlos mit den Schultern gezuckt. Es ging ja auch nicht um sie; es ging um uns, das Fußvolk.
Und sind wir nicht irgendwie alle kleine Terroristen, die überwacht, abgehört, gegängelt und wenn notwendig auch einmal niedergeknüppelt gehören? Auf einer Blockupy-Demo in Frankfurt zum Beispiel. Auf einer Demo gegen die G 8 in Heiligendamm zum Beispiel. Gut, dass von den Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV so gut wie nichts zu hören ist in den Medien. Erfolgreich totgeschwiegen. Und ist Hartz IV etwa nicht die – immer aus Sicht der Regierenden, denn das ist ja die die zählt – die erfolgreichste Demobilisierungswaffe, die seit Bestehen der Bundesrepublik von der Politik scharf gemacht wurde – und, ganz nebenbei bemerkt: die größte, ganz offiziell durch den Gesetzgeber veranlasste private Abhöraktion in der Geschichte der Bundesrepublik? Mit tatkräftiger Unterstützung der einschlägigen Medien – die damit dem Begriff der “vierten Gewalt”, mit dem die Medien sich selbst gern als Wächter der Demokratie aufspielen, eine ganz neue, eine wörtliche Bedeutung gaben.
Aber da ist schließlich immer noch dieser Quälgeist, dieses weibliche, bundesrepublikanische Pendant Edward Snowdens, die all die Misstände und Gemeinheiten offenlegt, die die Mitarbeiter in Jobcentern (was für ein Wort, fängt hier nicht schon der Terror an, der Staatsterror) tagtäglich an den Bürgerinnen und Bürgern auf Basis von Gesetzen begehen, die vorneweg die SPD und Bündnis 90/Die Grünen in Regierungsverantwortung verfasst und mit CDU/CSU und FDP beschlossen haben – vorneweg auch deswegen die SPD, weil sie sogar immer noch stolz darauf ist, während Bündnis 90/Die Grünen immerhin die Aussetzung der Sanktionspraxis bzw. ein Sanktionsmoratorium fordert und in diesem Jahr dieses menschenverachtende und ökonomisch unsinnige Gesetz nicht auch noch zum zehnjährigen Bestehen gefeiert hat, wie es die SPD getan.
Aber diese Inge Hannemann muss doch auch irgendwie kleinzukriegen sein. Warum geht bloß die Bundesregierung nicht so gegen sie vor, wie die US-Regierung gegen Edward Snowden? Na, dann fangen wir halt mal mit einer kleinen aber kriminalisierenden Pressemitteilung an – wird sich die Bundesagentur für Arbeit gedacht haben, als sie diese Zeilen schrieb (heute, am 30.06.2013 um 8:56 immer noch auf der Seite der Bundesagentur für Arbeit, die an sich Bundesagentur gegen Arbeitslose oder Bundesagentur für Arbeitgeber heißen müsste, zu lesen):
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Die Vorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit sind immer noch in Amt und Würden. Aber das sind der Präsident der USA und dessen Regierung schließlich auch.
Die Empörung der EU-Politiker über die Abhöraktionen gegen die EU-Institutionen – die wie für sie geschaffen scheinen und ganz offenkundig nicht für uns -, nicht aber über die vorher bekannt gewordenen Abhöraktionen gegen die Bürgerinnen und Bürger weltweit, verrät eben nur ein weiteres Mal, dass die Politiker sich selbst am nächsten stehen, nicht aber dem Volk, dass sie vertreten sollen. Das ist, obwohl seit langem der Fall, ein Skandal, weil es der Demokratie genauso abträglich ist wie die Abhöraktionen der Geheimdienste. Und wir wissen ja noch nicht einmal, was eigentlich alles die Geheimdienste in Deutschland und anderswo im umgekehrten Fall alles unternehmen.

Quelle: Wirtschaft und Gesellschaft
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