Mittwoch, 19. März 2014

Viele Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger können unzulässig sein

Wegen eines formalen Fehlers des Jobcenters Kassel könnten sich viele Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger als unzulässig erweisen. So auch diese gegen den ehemaligen Hartz-IV-Empfänger Carsten Schöneweiß aus Kassel.

Carsten Schöneweiß
© Ludwig
Im Streit mit dem Jobcenter: Der ehemalige Hartz-IV-Empfänger Carsten Schöneweiß wehrte sich vor dem Sozialgericht Kassel erfolgreich gegen die Kürzung seines Hartz-IV-Satzes. Nun wird das Verfahren vor dem Landessozialgericht fortgesetzt.
Dem 37-Jährigen hatte die Behörde in den Jahren 2010 und 2011 für sieben Monate seine 524 Euro Hartz IV gestrichen, weil er nicht die geforderten zehn Bewerbungen pro Monat vorgelegt hatte. Das Sozialgericht Kassel urteilte jetzt, dass dies unzulässig war, weil das Jobcenter ein entscheidendes Detail vergessen habe.
Bei dem Detail handelt es sich um den Hinweis auf die Übernahme der Bewerbungskosten durch das Jobcenter. Dies müsse zwingend schriftlich in den sogenannten Eingliederungsvereinbarungen festgehalten sein, die die Behörde mit den Hilfeempfängern abschließt. Weil diese Klausel fehle, sei die gesamte Vereinbarung und damit auch die darin festgehaltenen Sanktionen bei Verstößen unzulässig, urteilten die Richter.
Carsten Schöneweiß, der inzwischen als Be- und Entlader bei einer Spedition arbeitet, hatte sich nach eigener Aussage seinerzeit nicht ausreichend beworben, weil ihm das Geld dafür gefehlt habe. Deshalb sei ihm mehrfach der Hartz-IV-Bezug komplett gestrichen worden. Dagegen hatte er mithilfe seines Anwalts Dr. Bernd Hoppe geklagt und nun in erster Instanz Erfolg.
Bernd HoppeDr. Bernd Hoppe
„Ich habe von Essensgutscheinen und dem Geld meiner Freundin gelebt“, erinnert sich Schöneweiß an die Zeit ohne Hartz IV. Zudem habe er bei mehreren Bekannten Schulden machen müssen. Er habe auch das Jobcenter darauf hingewiesen, dass er sich zehn Bewerbungen nicht leisten könne. Nach Aussage einer Sprecherin des Sozialgerichts habe die Behörde auf diese Einwände nicht reagiert.
Das Fehlen der Klausel hält Anwalt Hoppe nicht für ein Versehen: „Das Jobcenter verweist absichtlich nicht auf die Kostenübernahme hin, um Geld zu sparen.“ Zudem sei es nicht mit dem Sozialstaatsprinzip vereinbar, wenn jemandem über mehrere Monate hinweg der Hartz-IV-Bezug zu 100 Prozent gekürzt werde.
Berufung eingelegt
Das Jobcenter hält die Klausel nach wie vor für verzichtbar und hat Berufung vor dem Landessozialgericht eingelegt. Die Übernahme von Bewerbungskosten (in der Regel pauschal fünf Euro pro Bewerbung) sei gesetzlich geregelt. Insofern sei ein schriftlicher Hinweis nicht zwingend nötig. Dennoch wolle das Jobcenter unabhängig vom Ausgang des gerichtlichen Streits die Aufnahme der Klausel prüfen, sagte dessen Sprecherin Petra Böhles. Dies geschehe dann „im Sinne der Transparenz und Bürgernähe“.
Sollte Schöneweiß auch vor dem Landessozialgericht recht erhalten, könnte er mit einer nachträglichen Auszahlung des einbehaltenen Geldes rechnen. Es handelt sich dann zwar um eine Einzelfallentscheidung, die aber Klagen anderer Hartz-IV-Empfänger nach sich ziehen könnte.
 
 

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