Sonntag, 7. April 2013

Die Steuer-Mafia unter uns

Wikileaks, Vatileaks und nun Offshore-Leaks. Dem Internationalen Konsortium für investigative Journalisten (ICIJ) wurde ein Datensatz mit 2,5 Millionen Dokumenten übermittelt. Darin werden 130000 Personen aufgelistet, die Vermögen in Steueroasen anlegten. Darunter etwa 100 Deutsche. Der erste Name, der ans Licht der Öffentlichkeit gebracht wurde: Industriellenerbe und Playboy Gunter Sachs. Der Haken an der Sache: Er ist seit Mai 2011 tot (und vererbte laut Bild ein geschätztes Vermögen von 384 Millionen Euro).

 Seit der Wirtschafts- und Finanzkrise wurden in der Europäischen Union etwa 4,5 Billionen Euro in Banken gepumpt, etwa in die unter SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück teilverstaatlichte Commerzbank. Die warb weiter für Geschäfte in Steueroasen. Experten schätzen, daß in Offshore-Finanzzentren Vermögenswerte im zweistelligen Billionenbereich gebunkert werden. Geschehen ist nichts. Der Kinderbuchautor Janosch titelte einst: »Oh, wie schön ist Panama!« Die Porsches, Piëchs, Quandts und die Kaffeedynastie Jacobs werden das unterschreiben. Kürzlich wurde bekannt, daß Personen aus diesen Familien- und Unternehmerclans über Briefkastenfirmen in der Steueroase Panama engagiert sind. Aber auch mitten in der EU feiert die Steuermafia eine Party. Unlängst diskutierte Deutschland über russisches Schwarzgeld auf Zypern. Sogar Informationen des Bundesnachrichtendienstes wurden bemüht. Nun brachten Finanzhaie unter den Augen der Europäischen Zentralbank während der Bankschließtage in Seelenruhe Milliarden außer Landes, während die normalen Sparer ohnmächtig ihrer kalten Enteignung beiwohnen durften. Mutmaßliche Zielstaaten der Steuerflüchtlinge: unter anderem Malta und Großbritannien. Die Bundesregierung will davon nichts wissen. Schließlich hat sie ihr Ziel erreicht: Die Finanzhaie sind gerettet, und die Kürzungspakete versenken Zyperns Wirtschaft endgültig im Mittelmeer. Wir erleben nun das übliche Spiel: Die Regierung verspricht, auf dem G-8-Gipfel führender Industrienationen aktiv zu werden, bis die Empörung verebbt ist. Peer Steinbrück wird morgen wieder die Kavallerie rufen, aber übermorgen die Abgeltungssteuer oder besser Flat-Tax für Steuerbetrüger feiern. Es fällt Schäuble, Steinbrück & Co. offenbar leichter, schwarze Löcher in Bankbilanzen zu stopfen als Steueroasen auszutrocknen. Die Linke fordert die Abschaffung der Abgeltungssteuer auf private Kapitalerträge. Einkommen aus Vermögen dürfen nicht länger niedriger besteuert werden als Einkommen aus Arbeit. Darüber hinaus müssen Doppelbesteuerungsabkommen mit unkooperativen Staaten sofort gekündigt und ihren Banken die Lizenz in Deutschland entzogen werden.

Kommentar von Sahra Wagenknecht, erscheinen in der "jungen welt" vom 05.04.2013

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