Montag, 7. April 2014

Wer verdient zu viel?

Die Deutschen verstehen die Wirtschaft nicht mehr: Einige wenige Manager kassieren Millionen und ernten den Zorn des Volkes. Die Politik will den Spitzenkräften ans Salär, die Bürger auch. Doch die richtige Balance zu finden, ist schwer.

Bei den vielen großen Zahlen kommen manchmal selbst gewiefte Fachleute durcheinander. Auf 3,1 Milliarden Euro bezifferte der Post-Chef in dieser Woche sein Gehalt. Auf Nachfrage fiel Frank Appel der Fehler auf: "Wir haben hier so viele Milliarden, da kann man sich schon mal versprechen", schob er nach. In Wirklichkeit bekommt der Manager für 2012 ein Salär von 3,1 Millionen Euro plus einem Bonus von 415.000 Euro.

Mehr als 3,5 Millionen Euro also nimmt Appel in Empfang. Im Vergleich zu seinen Kollegen unter den 30 Dax-Konzernen liegt er damit eher im Mittelfeld. Für die meisten Deutschen aber ist das eine exorbitante Summe. So viel werden sie in ihrem ganzen Leben nicht verdienen. Nicht nachvollziehbar ist es daher für sie, wenn VW-Chef Martin Winterkorn wegen des großen Erfolgs 20 Millionen Euro zustehen, von denen er auf fast sechs Millionen verzichtet. Oder wenn sich selbst Manager mit eher mäßigem Erfolg wie Daimler-Boss Dieter Zetsche 26 Millionen Euro an Pensionsansprüchen zusichern lassen. Ganz abgesehen von Christian Bittar, jenem Mitarbeiter der Deutschen Bank, dem 2008 eigentlich 80 Millionen Euro an Bonus zugestanden hätten, der auch einen erheblichen Teil davon bekam und nun unter Verdacht steht, bei der Manipulation des Referenzzinssatzes Libor mitgemacht zu haben.


All das sind Einzelfälle. Jeder ist besonders. Sie alle haben aber eines gemeinsam: Es geht um Riesenbeträge, die sich die Wirtschaftselite genehmigt, während sie Druck auf die unteren Einkommensklassen macht. Im Bewusstsein der Bevölkerung verschmelzen sie zu einem Amalgam aus grenzenloser Gier und reueloser Sozialkälte. 89 Prozent der Deutschen wünschen sich deshalb laut neuestem "Deutschlandtrend" eine Kappung der Managergehälter. Selbst viele Führungskräfte der deutschen Wirtschaft sehen das so, wie das "Leaders Parliament", eine Umfrage der "Welt" und Roland Berger Strategy Consultants unter 218 Managern ergab. 24 Prozent halten Gehaltsexzesse für nicht mehr vermittelbar und fordern sogar strengere Gesetze. Weitere 53 Prozent wollen, dass Aufsichtsräte und Vorstände selbstständig auf Verzicht drängen.

Die Business-Elite wird sich ändern müssen, wenn sie nicht die Reputation des gesamten Wirtschaftssystems riskieren will. Wer erfolgreich wirtschaftet, wer für die Eigentümer seines Unternehmens langfristig Mehrwert erzielt, ohne seine Mitarbeiter wie Leibeigene auszubeuten, der soll ordentlich entlohnt werden. Wer aber versagt, darf nicht auch noch belohnt werden. Die "Vollkasko-Mentalität" in manchen Vorstandsetagen verhöhnt das Prinzip der Marktwirtschaft. "Die Debatte ist berechtigt, wenn erkennbar Relationen auseinandergehen", sagt Michael Hüther, Chef des arbeitergebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft. "Dass es Übertreibungen gab, ist keine Frage."


Die Zahlen sprechen Bände: Um 713 Prozent sind die Gehälter der Dax-Spitzenkräfte in den vergangenen 25 Jahren gewachsen, rechnet Joachim Schwalbach vor. Der Managementprofessor der Berliner Humboldt-Universität setzt das in Relation zu den Verdiensten normaler Mitarbeiter. 1997 verdiente ein Vorstandsmitglied im Schnitt das 19-Fache seiner Beschäftigten. 2011 war es dann das 54-Fache. Vorstandschefs bekamen sogar noch mehr: 2011 war es 90-mal so viel. Fünf Jahre zuvor war es "nur" das 76-Fache. "Der Nachweis, dass die Vorstandsgehälter sich wirklich an der individuellen Leistung orientieren, wird von den Unternehmen nur sehr unzureichend gegeben", moniert der Professor. Um die Bezahlung transparent zu machen, müssten Indikatoren benannt werden, die für alle nachvollziehbar seien.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen